Sarna Röser, Bundesvorsitzende der „Jungen Unternehmer“ schreibt bei LinkedIn: „𝐃𝐢𝐞 𝐃𝐞𝐮𝐭𝐬𝐜𝐡𝐞𝐧 𝐬𝐞𝐡𝐧𝐞𝐧 𝐬𝐢𝐜𝐡 𝐧𝐚𝐜𝐡 𝐞𝐢𝐧𝐞𝐫 𝐑ü𝐜𝐤𝐤𝐞𝐡𝐫 𝐝𝐞𝐫 𝐕𝐞𝐫𝐧𝐮𝐧𝐟𝐭.“ Als Kontext fügt sie hinzu: Wir diskutierten nicht über die Zukunft der deutschen Wirtschaft, dabei wüssten viele nicht, wie es im Herbst weitergehen soll. Röser zeichnet ein Bild der existenziellen Krise, vor der wir die Augen verschließen, und ihre Antwort lautet: Vernunft. Praktischerweise sehnen sich die Deutschen danach sogar.

Deutschland: Sehr viele Menschen sehnen sich nach der Rückkehr der Vernunft - WELT
In diesem Sommer wird alles Mögliche diskutiert, nur leider nicht das Wesentliche. Die Zukunft der deutschen Wirtschaft zum Beispiel. Dabei wissen viele nicht, wie es im Herbst weitergehen soll. Es ist Zeit, die Probleme beim Namen zu nennen – und schnell zu lösen.

Der Satz könnte einem - guten! - Lehrbuch über politische Kommunikation entsprungen sein, Kapitel: Wie eine Minderheit ihre Interessen zum Mainstream macht. Nehmen wir es kurz auseinander:

„Die Deutschen …“

Wer genau? Sarna Röser spricht für den jungen Ableger der Lobbyorganisation einiger der reichsten Unternehmer:innenfamilien in Deutschland. Die Zeit hat den Familienunternehmer-Verband kürzlich „Die heimliche Rückschrittslobby“ genannt. Das ist so ziemlich genau das Gegenteil von „Die Deutschen“ als Allgemeinheit, nämlich: eine sehr kleine, sehr hoch privilegierte Minderheit. Spricht sie darüber hinaus für irgendwen? Wir wissen es nicht. Das Motiv ist wohl bekannt: Sehr Privilegierte erklären sich zur Mitte, um im Namen der Mehrheit sprechen zu können, siehe Flugzwerg Merz. Entsprechend ist Rösers Post mit dem Hashtag #FürdieMehrheit unterschrieben.

„… sehnen sich …“

Gefühl verbindet. Gefühl ist unmittelbar, persönlich und ganz sicher auch echt, sonst würden wir es ja nicht fühlen. Weitere Belege erübrigen sich daher, zum Beispiel zu der Frage, was sehnen bedeutet, warum ausgerechnet jetzt gesehnt wird oder wer hier sehnt. Und selbst wenn: „Die Deutschen“ sehen sich wahrscheinlich auch nach Freibier, Urlaub auf Malle und mariniertem Schweinenacken vom Grill. Und?

„… nach einer Rückkehr …“

Ein beliebtes Motiv: Es gab ein Früher, und damals war alles besser, jedenfalls vernünftiger. Wann das war, wo das war, bleibt am besten unbestimmt, sonst könnte man ja ernsthaft darüber sprechen, ob dieses Zeitalter der Vernunft wirklich so vernünftig war. Details sind auch nicht nötig. Auch so bleibt ein Gefühl von: Die Welt ist nicht in Ordnung, jemand hat uns die Vernunft genommen, es sollte eigentlich anders sein.

„… der Vernunft“

Vernunft ist die Lösung. Vernunft soll uns aus der Krise führen - und wer sollte schon dagegen sein können? Allein, wer hat hat sie uns genommen? „Die Deutschen“ können es ja nicht sein, die sehnen sich ja. Es scheint sich um eine anonyme Macht zu handeln. Wie kommt diese dazu? Wir müssen das korrigieren. Was genau steht heute an der Stelle der Vernunft? Sind es Gesetze? Regulierungen? Demokratisch legitimierte Entscheidungen?

Wir dürfen die Sehnsucht der Sarna Röser also übersetzen als: „Was uns privilegierter Minderheit nützt, ist immer auch gut für alle. Was genau, muss niemand wissen, es reicht das Gefühl, dass wir etablierte Unternehmer:innen andere Rahmenbedingungen haben sollten und vor allem: weniger davon.“ Und das liegt dann auch genau auf der Linie der politischen Positionen der „Familienunternehmer“ und ihres jungen Ablegers. Soviel zur Sehnsucht nach Vernunft.