An Forderungen für die Schule der Zukunft ist kein Mangel. An Meinungen noch viel weniger. Sicher ist: Es geschieht zu wenig; damit endet der Konsens allerdings bereits. Diese aktuelle Analyse dreht diese Fragerichtung daher um und fragt: Was bedeutet Zukunft für Schule? Sie zeigt einige Anforderungen, die aus Sicht der Zukunftsforschung an das System Schule formuliert werden können, und soll damit der Debatte zwischen Pädagogik, Schule und Politik zusätzliche Impulse geben.
Eine kritische Betrachtung des Systems Schule ist unabdingbar, wird aber stets nur die heutigen Verhältnisse in die Zukunft verlängern können, solange sie nicht von den absehbaren gesellschaftlichen, politischen, klimatischen und technologischen Veränderungen ausgeht. Dabei haben wir jeden Grund zu der Annahme, dass sich unsere Gesellschaft, unsere Arbeitswelt, unsere Kommunikation in den vor uns liegenden zehn Jahren stark verändern werden.
Es sind die heutigen Schulanfänger, die die Absolvent:innen der 30er Jahre sein werden. Insofern ist es höchste Zeit, sich der Frage zu widmen, welche Anforderungen an diese Generation wir bereits heute absehen können. Daraus abzuleiten wären Kompetenzen, deren Förderung wir von Schule in Zukunft erwarten können - und erwarten müssen.
Die Schulabgänger:innen der 30er Jahre sind:
1. Die Generation ohne Wahrheit: Sie wird ohne völlig neue Mechanismen der Quellenkritik kaum mehr in der Lage sein, gesellschaftliche Debatten zu verstehen oder gar zu gestalten. Wenn Original und Fake nicht mehr unterscheidbar sind, muss sie eine Debattenkultur beherrschen, die auch Schule heute noch nicht kennt.
2. Die Generation nach der Arbeit: Das Bild des maschinengleich funktionierenden Menschen in der Arbeitswelt ist bereits Geschichte. Die Ersatzmaschine Mensch, deren Leistung in Zeit zu messen ist, hat ausgedient. Diese Generation braucht ein neues Bild von Wertschöpfung und Sinn und mehr noch: Sie muss sich in einer grundlegend neuen Arbeitswelt souverän bewegen können.
3. Die Generation Klimafolgenanpassung: Sie muss Wirtschaft und Gesellschaft an neue, volatile Bedingungen der post-fossilen Welt anpassen, technologisch wie gesellschaftlich. Diese Aufgabe kommt ausgerechnet einer Generation zu, die die Annehmlichkeiten der fossilen Lebensweise nicht mehr kennt.
4. Die nächste Nachkriegsgeneration: Wir erlegen dieser Generation heute auf, Frieden neu zu sichern und die Narben des russischen Krieges zu heilen. Das erfordert politische wie militärische Trittsicherheit, aber auch ethische.
5. Die lernende Generation: Sie wird die Kompetenz entwickeln, eigene Curricula für ihr Leben zu entwickeln und immer wieder zu erneuern. Ist Schule darauf vorbereitet?
Die Frage ist nicht, ob diese Schüler:innen dauerhaft lernen. Das werden sie. Die Frage ist, ob der Lernort Schule in diesen Lernprozessen einen relevanten Platz einnehmen kann. Die Studie weist damit auf einen Grundwiderspruch hin: Je stärker Schule anstrebt, Struktur und Standards herauszubilden und zu entwickeln, desto weiter wird sie sich von einer unstrukturierten, vielschichtigen und dynamischen Welt entfernen. Das Kernthema der Schulabgänger:innen der 30er Jahre ist Gestaltung. Gestaltung unter den Bedingungen laufender Veränderung und Vieldeutigkeit. Die Mindestanforderung, die der Schule aus einer Zukunftsperspektive aufzugeben ist, lautet: Lernen wir, Veränderung zu lieben.
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