Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Wer hier nach kurzen Tagen schreit, hat offenbar noch Kapazitäten. Und ganz ehrlich: Wenn ich meine Leute nicht antreibe, dann kommen die nie auf Touren. So oder ähnlich klingen die Kündigungsgründe von der Stange. Und die Kulturen, die zu Burnouts führen. Lasse Rheingans kann die alle mitsprechen. Er hat seine nach ihm benannte Agentur schon vor Jahren auf den 5-Stunden-Arbeitstag umgestellt und sagt: Das kann man sinnvoll machen oder nicht. Richtig gemacht, bleibt die Produktivität hoch und es geht alles besser. Wenn die Menschen ihren psychologischen Rucksack nicht so voll packen, können sie auch auf der Arbeit mehr Werte schaffen.

Der Wandel kommt und er kommt schnell. Spätestens durch den Wettbewerb. In den kommenden Jahren geht in Deutschland fast ein Viertel der Menschen, die heute arbeiten, vom Markt. Hoffentlich kommen die Roboter und intelligenten Algorithmen und nehmen uns möglichst viel Arbeit weg. Dennoch: Wer keinen Raum für den Menschen schafft, wird als Unternehmen den Kürzeren ziehen.

Natürlich hat Arbeit Rahmenbedingungen, Unternehmen zielen auf Gewinn. Das ist ohnehin unstreitig. Aber wie wir dahin kommen, das ist eine Aushandlungssache. Genau dort kann Digitalisierung helfen. Welche Prozesse, die ohnehin niemand ausführen möchte, können wir mit KI automatisieren und uns selbst um Aufgaben kümmern, die besser, spannender sind? So können wir offen diskutieren, wie wir Arbeit besser machen. Wir schaffen die Dinge, die wir machen müssen, aber es ist angenehmer und es überfordert die Menschen nicht.

Die zentrale Kompetenz, die Organisationen hierfür entwickeln müssen, ist das echte, tiefe Lernen. Was ist Agilität? Die Fähigkeit zu schnellerem Lernen. Was ist eine gute Fehlerkultur? Die Fähigkeit, aus Fehlern zu lernen. Wie entsteht eine Lernkultur? Sie wurzelt in Beziehungen. Die zu entwickeln, ist die Führungsaufgabe heute. Denn wir haben keine mehr, langsamer zu lernen.

Das ganze Bild der Arbeit ist im Wandel. Das Soll-Bild ist nicht mehr der maschinengleiche Mensch, der von ganz früh bis ganz spät in einer Tour funktioniert. Auch Ruhe wird zum Soll-Zustand des Menschen in der Arbeit - und das ist das Ende der Gleichsetzung Mensch und Maschine. Lasse sagt: Wir müssen uns wirklich davon verabschieden, dass wir Menschen wie Maschinen in einen Takt drücken. Arbeit, die wir heute brauchen, setzt kreatives vernetztes Denken voraus, quasi Expertise mit Gefühl. Das können Maschinen nicht. Und wenn wir einmal dort sind, passieren auf einmal magische Dinge.

Zu Gast: Lasse Rheingans, Unternehmer und Autor. Seine Agentur Rheingans hat schon 2017 den 5-Stunden-Tag als Vollzeitmodell eingeführt.