Die Folge mit den großen Zahlen: Der aktuell größte Quantencomputer ist 100 Billionen Mal schneller als ein Supercomputer. Liest man so. Wer sich darunter etwas vorstellen kann? Natürlich niemand. Ist das nur ein Hype, viel Aufregung von hochspezialisierten Physik-Nerds – oder versprechen Quantencomputer den nächsten großen Sprung für die Menschheit? Michael Carl im Gespräch mit dem Physiker, IT-Ingenieur und Psychologen Frank Fischer. Der sagt: Beides!
Franks Analyse: Der entscheidende Treiber für die Entwicklung von Quantencomputern ist die Chemie. Beispiel: Die Herstellung von Ammoniak. Bislang sind wir auf das Haber-Bosch-Verfahren angewiesen – de facto die Methode „Rohe Gewalt“, wirkungsvoll, aber enorm energieaufwendig. Mehrere Prozent des globalen Energiebedarfs gehen auf das Konto des Haber-Bosch-Verfahrens. Die Alternative: Wir konstruieren ein Molekül, das Ammoniak ohne hohen Druck und Temperatur erzeugt. Wir wissen, dass es das Molekül gibt. Wir kennen seine Bestandteile. Allerdings gibt es mehr Möglichkeiten, diese Bestandteile in 3D zusammenzusetzen, als es Teilchen im Universum gibt. Mit herkömmlicher Rechenleistung de facto nicht zu ermitteln. Geschätzter Rechenaufwand für einen Quantencomputer mit 250 QBits: 10 bis 15 Minuten. Der Preis für den Sieger: Besagte mehrere Prozent der weltweit erzeugten Energie. Was ist dagegen eine Investition in neue Technologie von ein paar wenigen Milliarden? Darum sind Google, Amazon, Microsoft, Intel etc alle im Rennen um den ersten leistungsfähigen Quantencomputer dabei.
Weitere Anwendungsfälle: Individuell wirksame komplexe Medizin, um Größenordnungen leistungsfähigere Sonnenkollektoren und außerhalb der Chemie: Mobilitätssteuerung, Dienstplanung etc. Franks These: Quantentechnologie macht Computer nicht einfach schneller, sie ermöglicht es, Probleme zu berechnen, die heute de facto unlösbar sind.
Nebenbei: Betrachten wir bitte jedes Passwort als jederzeit entschlüsselt. IT-Sicherheit müssen wir vollständig neu denken.
Die Perspektive: Google kommuniziert, Quantencomputer würden ab 2029 zur kommerziellen Nutzung bereitstehen. Eine Schätzung, die Frank Fischer für durchweg realistisch hält.
Wer bis zu Minute 30 durchhält, bekommt auch noch einen Crash-Kurs Physik bei Herrn Fischer: Was sind Superposition, Entanglement und wer ist Richard Feynman? Und wen das Gefühl beschleicht, nicht alles zu verstehen: Das ist genau die Sicht selbst der beteiligten Physiker. Die setzen inzwischen eher auf sich ergänzende Modelle der Quantenmechanik, die jeweils Aspekte beschreiben. Eine beruhigen Botschaft zum Schluss: Man muss hier nicht alles verstehen.
Der Gast in dieser Woche:
Frank Fischer, Physiker, IT-Ingenieur, Organisationspsychologe, derzeit bei Snyk.
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