Kaum legt sich der pandemische Nebel langsam wieder, der alle anderen Themen fast magisch verschluckt hat, tauchen altbekannte Themen wieder auf – und sorgen direkt für Streit in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Die Klimakrise ist wieder da. Im Unterschied zu den 90er Jahren lautet der Tenor nun aber nicht mehr „US-amerikanische Wissenschaftler haben gewarnt …“, sondern: „Wir haben noch zehn Jahre. Nicht bis wir anfangen. Bis wir fertig sind.“ Zugleich gelingt es uns immer noch, die Auswirkungen der Klimakrise zu negieren, sie zu verdrängen, auszublenden, uns in Hoffnungen zu ergehen.
Sara Schurmann war zuletzt Redaktionsleiterin des Formats „Ozon“ bei Funk, einem Angebot für jüngere Zielgruppen der ARD. Sie hat die Klimakrise zu ihrem Thema gemacht, genauer: Sie will Aufmerksamkeit dafür schaffen. Im Gespräch mit Michael Carl klärt sie prägnant die Eckdaten: Ja, die Forderung nach einem Ende der klimaschädlichen Subventionen bis 2025, keinen neuen Verbrennern nach 2025, Kohleausstieg spätestens 2030 und einem Ende der Massentierhaltung ist nicht Aktivismus, sondern beschreibt recht nüchtern den überwältigenden Konsens der Wissenschaft. Nein, die Hoffnung auf technologische Innovation ist trügerisch; Lösungen, die wir heute noch nicht kennen, kommen in jedem Fall zu spät für einen globalen Einsatz in den 20er Jahren. Ja, die Klimakrise wird sich direkt in Mitteleuropa auswirken. Sie wirkt sich jetzt schon aus. Warum sprechen wir eigentlich nicht über das Waldsterben, das sich vor unseren Augen vollzieht?
Im Gespräch mit Michael Carl erwägt Sara Schurmann die Gründe, warum wir eine seit Jahren bekannte Entwicklung immer noch verdrängen – und das, obwohl ein Einsatz für ein besseres Klima direkt positive Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden hätte. Sie diskutiert Strategien, wie dem Thema die notwendige Aufmerksamkeit zukommen kann. Ein Weg kann der über zwei unterschiedlich kontrastierte Zukunftsbilder sein: Ein positives, in dem wir uns aufzeigen, wie sich die Lebensumstände auch in Mitteleuropa durch einen drastischen Klimaschutz massiv verbessern. Das aktiviert und zieht die Menschen. Gleichzeitig schlägt Sara Schurmann vor, ein solches Zukunftsbild durch ein zweites zu begleiten, das ganz deutlich aufzeigt, was andernfalls passiert.
Dazu ein Impuls aus der Sozialpsychologie. Die lehrt uns, warum gute Vorsätze scheitern. Frühere Belohnungen („Jetzt Schokolade“) sind immer attraktiver als spätere („weniger Gewicht langfristig“). Das gilt auch kollektiv: Heute das vermeintlich gute Leben fortsetzen wird sich meist durchsetzen gegen die Forderung, heute radikale Veränderungen vorzunehmen, um künftig Schaden abzuwenden. Schlechte Aussichten für uns in der Klimakrise? Als Ausweg nennt die Sozialpsychologie: Zum einen bewusst Belohnungen schaffen, also zum Beispiel Wahlergebnisse herbeiführen. Zum anderen – und wichtiger: Bewusst Optionen vom Tisch nehmen und damit neues Verhalten motivieren. Was in jedem Transformationsprozess in Unternehmen und Teams gilt, greift auch hier. Das führt zu einem neuen, innovativen Sinn von Verboten. Statt eine vermeintliche oder tatsächliche Verbotskultur zu beklagen, können wir auch auf den ermöglichenden Charakter von Verboten setzen. Sie können auch Veränderungen wahrscheinlicher machen und dafür sogar motivieren.
Der Gast dieser Woche:
Sara Schurmann, freischaffende Journalistin mit dem Schwerpunkt Klimakrise.
Kommentare