Im Grunde wollen ja alle Innovation. Innovation ist wahnsinnig attraktiv. Wenn es aber ans Risiko geht, dass es dabei zu tragen gilt, werden viele wieder zurückhaltend. Für die Wirtschaft, für die Gesellschaft insgesamt, wird das schnell zum Problem. Dieses Phänomen sehen wir vor allem bei den echten Ungewissheiten, wo nicht nur die Lösung unklar ist, sondern auch die Rahmenbedingungen, sagt Ralf Wehrspohn. Ralf ist Physiker und treibt das Thema Innovation, bei Fraunhofer und darüber hinaus.
Zehn neue Wege stehen zur Wahl, mindestens neun werden scheitern - wer trägt das Risiko für Innovationen? Der Staat? Einzelne Unternehmen? Investoren? Anstatt uns gegenseitig mit solchen Fragen lahmzulegen, sollten wir lieber auf Kooperationen setzen. Ralf macht sich für symbiotische Innovationen stark. Am Beispiel des Lithiums: Wer das begehrte Metall aus dem Erz gewinnen will, erzeugt gewaltige Mengen Abraum. In klassischer Sicht: Ein teures Problem. In Symbiose: Wertvoller Ausgangsstoff für die Bauindustrie. Schon wird Entwicklung günstig und sicher. Wer dann auch noch Recycling-Ströme mitdenkt, ist schon fast bei er Kreislaufwirtschaft angekommen.
Das Prinzip ist nicht neu. Jeder Chemiepark beruht auf genau diesem Prinzip, hier Stoffverbund genannt. Diese Netzwerk halten die Chemieindustrie am Leben und am Standort. Dennoch, so Ralf, müssen wir gezielt stärker in solchen Verbünden denken. Niemand gewinnt die Innovation allein.
Das Prinzip trägt auch im gesellschaftlichen Kontext. Ralf berichtet von Projekten im Kontext Demografie, die er begleitet. Die Zahl älterer Menschen, die im Alltag Hilfe benötigen, wird absehbar in den kommenden Jahren stark steigen. Private Pflege für alle scheidet schon aus Kostengründen als Modell für alle aus. Wie aber dann? Man nehme eine traditionelle Großwohnsiedlung - auch Plattenbau genannt - und verwandele sie in eine stabile Lebenswelt, mit MVZ, Pflegedienst, entsprechenden Technologien im Haus und Integration der Krankenkasse. Schon ist die Symbiose entstanden, in der der Erfolg des einen zur Voraussetzung des Erfolgs des anderen wird.
Das Beispiel zeigt: Was uns fehlt, ist vielfach das Zutrauen in Kooperationen. Geld jedenfalls ist genug im System, sagt Ralf (und erwartet Widerspruch…). Wenn überhaupt, müssen wir lernen, Geld anders zu verteilen. Weg von starren Meilenstein-basierten Projektplänen, die nur bei inkrementellen Innovationen hilfreich sind. Da, wo es um das wirklich Neue geht, brauchen wir die systematischen Tugenden, die wir von Universitäten schon lange kennen: Kluge Menschen, stabile Grundfinanzierung, attraktive Ziele. Und auf geht es.
Zu Gast: Prof. Dr. Ralf B. Wehrspohn, Innovator, Gründer, Wissenschaftsmanager, Universitätsprofessor, Dochsager.
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